Anders ist diese Frage zu beurteilen, wenn der Anwender
mit Hilfe des Browsers den am Bildschirm dargestellten Dokumenten, das sich
zuvor “anonym” im Cache des Browsers befunden haben, einen bestimmten
Namen und Platz auf seiner Festplatte zuweist. Da dieser Entschluß
von jedem einzelnen Anwender autonom getroffen wird, muß ihn dieser
auch verantworten.
Wenn sich bewußt vervielfältigtes Material
auf der Festplatte des Benutzers befindet, ist zu fragen, ob es sich dabei
um eine freie Werknutzung der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch
im Sinne des § 42 UrhG handelt.
Als Vorfrage ist festzulegen, ob das vervielfältigte
Material nicht der Werkkategorie der Computerprogramme im Sinn des §40a
UrhG unterfällt, da § 40d Abs 1 festlegt, daß § 42
nicht für Computerprogramme gilt.
Die Definition des Begriffs “Computerprogramm”
im § 40a Abs 2 UrhG ist für das vorliegende Problem, ob denn nämlich
jede Datei ein Computerprogramm sei, nicht sehr hilfreich. Die erwähnte
Vorschrift hält lediglich fest, daß der Ausdruck “Computerprogramm”
alle Ausdrucksformen einschließlich des Maschinencodes sowie das Material
zur Entwicklung des Computerprogarmms umfaßt.
Die Aufnahme der Bestimmungen über den Schutz
der Computerprogramme erfolgte mit der UrhG-Novelle 1993. Im Vorfeld der
Beschlußfassung stand die österreichische Urheberrechtslehre
vor der Problematik des Vervielfältigungsbegriffes bzw der Anwendung
des freien Nutzungsrecht der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch.
[748] Jeder
Ablauf eines Computerprogramms bedingt mehrere Vervielfältigungen innerhalb
des Rechners (Einspeichern von Diskette, Übertragung in den Arbeitsspeicher,
Abarbeiten des Programms durch die CPU [749]
und Speichern der Zwischenergebnisse,..). Im Ergebnis wurde dem Software-Urheber
das ausschließliche Recht eingeräumt, das Computerprogramm zu
vervielfältigen, wobei schon das Laden in den Arbeitsspeicher und das
“Laufenlassen” als Vervielfältigung anzusehen ist. [750]
Der Software-Anwender hingegen darf das Computerprogramm vervielfältigen
und bearbeiten, soweit dies zur bestimmungsgemäßen Benutzung
durch den Berechtigten erforderlich ist. [751]
(§ 40d Abs 2,3 UrhG)
Letztlich geht es beim vorliegenden Problem aber nur
darum festzustellen, ob jede Computerdatei ein Computerprogramm darstellt.
Aus dem Bericht des Justizausschusses [752]
ergibt sich, daß mit der UrhG-Novelle 1993 die Richtlinie der EG vom
14. Mai 1991 über den Rechtsschutz der Computerprogramme (91/250/EG)
[753] umgesetzt
werden soll. In den Erwägungsgründen eben jener Richtlinie [754]
wird zwar der Begriff Computerprogramm ebenfalls nicht definiert, [755]
es erfolgt aber eine nähere Bestimmung der Funktion. “Die Funktion
von Computerprogrammen besteht darin, mit den anderen Komponenten eines
Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren.”
[756]
Walter[757]
versteht unter einem Computerprogramm im Sinn der Richtlinie eine Summe
von Befehlen (Anweisungen), die darauf gerichtet ist, Datenverarbeitungsanlagen
(Computer) jeder Art zur Erfüllung bestimmter Funktionen (Aufgaben)
zu veranlassen.
Weiters ist schon dem Wortsinn von “Computer
programm” zu entnehmen, daß es sich um eine Arbeitsanweisung
od. Folge von Anweisungen für eine Anlage der elektronischen Datenverarbeitung
zur Lösung einer bestimmten Aufgabe (EDV) handelt. [758]
Nun besteht zwar z.B. eine HTML-Seite aus einer Folge von Anweisungen, sie
erscheint aber eher wie ein Datenarchiv und ist nur unter Zuhilfenahme eines
Internetbrowsers auszuführen und darzustellen. Die Anweisungen beziehen
sich nicht direkt auf den Computer, sondern viel mehr auf den Internetbrowser.
“Echte” Computerprogramm treten vordergründig nicht mit
anderen Computerprogrammen in Verbindung, sondern mit dem Betriebssystem
und sie bestehen aus ausführbarem Maschinencode. [759]
Der Internetbrowser erfüllt die Aufgabe, nämlich die Darstellung,
die geladenen Daten sind nur das Objekt der Darstellung.
Eine weitere Unterscheidung stellt auf das Erscheinungsbild
am Monitor ab. So stellen die meisten HTML-Seiten einen Text mit verschiedenen
Formatierungen dar, ganz ähnlich, wie dies auch das vorliegende Dokument
tut. Das wesentliche an diesem Dokument ist aber der darin enthaltene Text
und nicht die Formatierung. Ebenso ist das Wesentliche an einer Computerdatei,
die ein Bild darstellt, die Information über das Bild und eine Datei,
die im Ergebnis ein Lied oder bestimmte Klänge erzeugt diese “musikalische”
Eigenschaft weshalb sie dem Schutz von Werken der Tonkunst zu unterstellen
ist.
Mit Hilfe dieser Unterscheidungen erhält man sinnvolle
Ergebnisse, so daß sie bezüglich der Unterordnung unter die Werkkategorien
hier angewandt werden soll. Dies führt dazu, daß § 42 UrhG,
die Bestimmung über die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch,
bezüglich vom Internet geladener Daten, die keine direkt ausführbaren
Programme sind, zur Anwendung kommen kann. Die Voraussetzungen für
die Anwendung sollen hier geprüft werden.
Die Bestimmung lautet:
§ 42. (1) Jedermann darf von einem Werk einzelne
Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch herstellen.
(2) Eine Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch
liegt vorbehaltlich der Abs. 3 und 4 nicht vor, wenn sie zu dem Zweck vorgenommen
wird, das Werk mit Hilfe des Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Zum eigenen Gebrauch hergestellte Vervielfältigungsstücke
dürfen nicht dazu verwendet werden, das Werk damit der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
(3) Schulen und Hochschulen dürfen für
Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten
Umfang Vervielfältigungsstücke in der für eine bestimmte
Schulklasse beziehungsweise Lehrveranstaltung erforderlichen Anzahl herstellen
(Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch) und verbreiten. Die Befugnis
zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch gilt nicht für
Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch
bestimmt sind.
(4) Der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen,
die Werkstücke sammeln, dürfen, sofern dies nicht zu Erwerbszwecken
geschieht, (Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Sammlungen)
1. von eigenen Werkstücken jeweils ein Vervielfältigungsstück
herstellen; ein solches Vervielfältigungsstück darf statt des
vervielfältigten Werkstücks unter denselben Voraussetzungen wie
dieses ausgestellt (§ 16 Abs. 2), verliehen (§ 16a) und nach §
56b benützt werden;
2. von veröffentlichten, aber nicht erschienenen
oder vergriffenen Werken einzelne Vervielfältigungsstücke herstellen;
solange das Werk nicht erschienen beziehungsweise vergriffen ist, dürfen
solche Vervielfältigungsstücke ausgestellt (§ 16 Abs. 2),
nach § 16a verliehen und nach § 56b benützt werden.
(5) Die folgenden Vervielfältigungen sind jedoch
stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig:
1. die Vervielfältigung ganzer Bücher
oder Zeitschriften, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird,
ein nicht erschienenes oder vergriffenes Werk betrifft oder unter den Voraussetzungen
des Abs. 4 Z 1; dies gilt auch dann, wenn als Vervielfältigungsvorlage
nicht das Buch oder die Zeitschrift selbst, sondern eine gleichviel in welchem
Verfahren hergestellte Vervielfältigung des Buches oder der Zeitschrift
verwendet wird;
2. die Ausführung eines Werkes der Baukunst
nach einem Plan oder Entwurf oder der Nachbau eines solchen Werkes.
Die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch wird
in Abs 2 negativ formuliert. Eine Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch
liegt nicht vor, wenn sie zu dem Zweck vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe
des Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen. [760]
Die Art der Vervielfältigung spielt dabei keine Rolle. [761]
Wesentlichstes Merkmal ist, daß das Vervielfältigungsstück
nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Öffentlichkeit
ist im Zusammenhang mit der Umschreibung der Verwertungsrechte immer dann
gegeben, wenn das Werk einer Mehrheit von Personen zugänglich gemacht
wird, es sei denn, daß der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt
ist und sie durch gegenseitige Beziehungen zueinander oder durch Beziehungen
zu der organisatorisch auftretenden Person persönlich miteinander verbunden
sind. [762]
Zur Klarstellung sei noch hinzugefügt, daß für die Erfüllung
des Öffentlichkeitsbegriffes keine Gleichzeitigkeit gefordert ist [763].
Diese Gleichzeitigkeit wird nämlich bei Abrufen aus dem Internet nur
selten gegeben sein. Die Absicht, das Werk nicht der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen, muß im Zeitpunkt der Vervielfältigung
gegeben sein. Wird das Werk nachher doch veröffentlicht, macht dies
die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch nicht nachträglich rechtswidrig.
Vielmehr wäre diese nachträgliche Veröffentlichung unter
dem Gesichtspunkt eines eigenen Verwertungsaktes (z.B. Verbreitung, öffentliche
Wiedergabe) zu beurteilen. [764]
Nichtsdestoweniger führt dies dazu, daß der
private Anwender für seinen eigenen Gebrauch nach § 42 UrhG Werke
im Sinn von § 1 Abs 1 UrhG auf der Festplatte speichern oder ein Werkstück
mittels Drucker herstellen darf. Soweit es sich allerdings um eine Vervielfältigung
ganzer Bücher oder Zeitschriften handelt, ist diese nach Abs 5 nur
mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Hier ist auf den jeweiligen
Einzelfall abzustellen. Wenn Bücher oder Zeitschriften als ganzes zum
Download angeboten werden [765],
wird diese Einwilligung meist konkludent vorausgesetzt werden können.
Für die Werkkategorie der Computerprogramme gilt
die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch allerdings nicht (§
40d Abs. 1 UrhG). Wenn man sich also für eine Klassifizierung der Dokumente
als Computerprogramme [766]
entschließt beziehungsweise über das Internet “echte”
Computerprogramme [767]
geladen werden ist wiederum fraglich, ob diese Daten vom Internetbrowser
ohne bewußtes Zutun des Benutzers im Cache abgespeichert werden dürfen.
Zwar bestimmt § 40d Abs 1, daß § 42 nicht für Computerprogramme
gilt, allerdings darf ein Computerprogramm nach § 40d Abs 2 vervielfältigt
werden, soweit dies für die bestimmungsgemäße Benutzung
durch den zur Benutzung Berechtigten notwendig ist. Gerade diese Bestimmung
ist wie zugeschnitten auf den Abruf von WWW-Seiten. Wie oben erwähnt,
wird bei jedem Abruf eine Kopie der HTML-Seite geschickt. Dies ist eine
conditio sine qua non für das Bestehen des WWW. Es muß sich logischerweise
um eine Kopie handeln, da sonst die Seite nur ein einziges Mal aufrufbar
wäre. Alle dem Autor bekannten Internetbrowser legen automatisch lokale
Kopien der letzten abgerufenen Seiten an, um bei Bedarf schneller auf diese
zugreifen zu können und das Internet nicht mit doppelten Übertragungen
noch mehr zu verlangsamen. Dieser automatische Kopiervorgang ist zwar manuell
abschaltbar, jeder Internetbrowser hat diese Funktion aber standardmäßig
aktiviert. Dieses Basiswissen ist jedem Autor von Internetseiten zuzutrauen.
Jedenfalls handelt es sich um eine Vervielfältigung, die die typischen
Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers nicht beeinträchtigt. [768]
Das Ergebnis bleibt das gleiche: Es handelt sich um eine bestimmungsgemäße
notwendige Vervielfältigung.
Fraglich bleibt noch, ob jeder Internet-Surfer zur
Benutzung berechtigt ist. Die Benutzung ist im Lichte der Cache Problematik
dahingehend zu sehen, daß der Anwender die Möglichkeit hat, sich
das ohnehin schon angesehene Werk ein 2. Mal anzusehen, ohne die Leitungen
des Internets belasten zu müssen. Dieses Anliegen werden wohl die meisten
Anbieter unterstützen. Manche Nachrichtenangebote leben allerdings
von ihrer Aktualität und der Anzeige verschiedenster Werbebanner, so
daß diese ein berechtigtes Interesse daran haben, daß ihre Seiten
jedesmal neu geladen werden. Zu diesem Zwecke kann man Seiten mit “Ablaufdaten”
versehen, so daß der Browser die Seiten sowieso erneut lädt.
Auch hier ergeben sich keine Spannungsfelder.
Die Cache-Problematik bezüglich der Werkkategorie
der Computerprogramme scheint also im Lichte der bestimmungsgemäßen
Benutzung im Sinn von § 40d Abs 2 UrhG gelöst.
Trotzdem bieten viele Softwareunternehmen ihre Produkte
über das Internet zum Download an. Wie ist deren urheberrechtliches
Schicksal zu beurteilen?
Da die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch ausscheidet,
ist primär an eine konkludente Einwilligung zur Vervielfältigung
zu denken. Meist handelt es sich bei den Produkten um unentgeltlich zugängliche
Demonstrationsversionen, deren Funktionalität entweder eingeschränkt
ist oder die den weiteren unentgeltlichen Dienst nach einer bestimmten Benutzungszeit
verweigern. Erst nach Eingabe eines Registrationscodes, der nur gegen Entgelt
zu bekommen ist, sind die Programme wieder voll funktionsfähig. Bei
der Installation muß der Anwender mittels Mausklick eine “License”
akzeptieren, andernfalls das Programm am Computer nicht installiert wird.
Je nach Produkt handelt es sich dabei um eine mehr oder weniger beschränkte
Werknutzungsbewilligung (§ 24 Abs 1 1.Satz UrhG), also eine vertraglich
Lösung. Wegen der Vielzahl der möglichen Ausgestaltungen der Bewilligungen
und da es sich nicht um ein internetspezifisches Problem handelt, kann darauf
hier nicht näher eingegangen werden.
Wie gezeigt, unterliegt das Abspeichern von vom Internet
bezogenen Dokumenten dem ausschließlichen Verwertungsrecht der Vervielfältigung.
Da die meisten Inhalte aber nicht als Computerprogramm im Sinn von §
40a UrhG zu sehen sind, ist in jedem einzelnen Fall die freie Werknutzung
zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch nach § 42 UrhG zu prüfen.
Meist wird das Speichern von Daten dadurch gerechtfertigt. Zu einer weiteren
Veröffentlichung der vervielfältigten Werkstücke darf es
aber nicht kommen.
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